


Hygiene Stewart – neues Berufsbild durch die Krise
- 5. März 2021
Wer denkt bei Facility Services schon an Robotik und Sensorik? Erich Steinreiber, CEO bei ISS Österreich und Krisenmanager des Jahres 2020 in der Kategorie Flexibilität.

Katharina Sigl hat sich mit dem Fußballbegeisterten und langjährigen Profi seiner Branche über die Chancen und seine ganz persönlichen Learnings dieser Krise unterhalten.
Foto: © ISS Österreich
Herzliche Gratulation zur Auszeichnung >> Krisenmanager des Jahres 2020 in der Kategorie Flexibilität <<! Was hat Sie zum flexibelsten Krisenmanager des Landes gemacht?
Unsere Branche, aber vor allem unsere Kunden, sind von der Krise unterschiedlich getroffen worden. Nehmen Sie den Flughafen beispielsweise. Wir waren von einem Tag auf den anderen gefordert, MitarbeiterInnen auf die neuen Hygienevorkehrungen zu schulen – und umgekehrt auch für deren Sicherheit zu sorgen.
Wir haben sehr schnell ein internes Krisenteam zusammengestellt und von Beginn der Krise an auf offene und niederschwellige Kommunikation mit allen 7.000 MitarbeiterInnen gesetzt. Eine neu eingeführte App hat diese Kommunikation ermöglicht.
Was hat Ihnen im Umgang mit dieser Krise sehr geholfen?
Zum einen konnten wir uns auf unsere MitarbeiterInnen verlassen und zum anderen haben die zufriedenen Beziehungen mit unseren Kunden für Stabilität in der Krise gesorgt.
Abgesehen davon, wissen wir heute, für welche Kunden wir der richtige Partner sind. So fokussieren wir uns auf Key Accounts – das sind Kunden, wo bis zu 500 ISS-Teammitglieder in allen Bereichen rund ums Gebäude direkt vor Ort unterstützen: von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen über öffentliche Einrichtungen und Schulen hin zu großen Büro- oder Produktionsstandorten.
Wenn wir kurz auf das Jahr 2020 zurückschauen, was würden Sie als Ihre drei wesentlichsten AHA-Erkenntnisse im Umgang mit dieser Krise bezeichnen?
Für mich zeigt sich in der Krise die DNA eines Unternehmens wirklich. Ich habe bemerkt, dass wir einerseits noch näher an unsere Kunden und andererseits an unsere MitarbeiterInnen herangerückt sind. Es war und ist ein großartiger Zusammenhalt spürbar.
Sie haben in einem Video im März 2020 gesagt: >> Es ist immer gut etwas aus der Vergangenheit mitzunehmen …<<. Was aus der Vergangenheit hat Ihnen persönlich in dieser Krise geholfen?
Das Vertrauen in Menschen – 2020 war für mich persönlich ein Payback-Jahr. Ich erhielt sowohl von unseren Kunden als auch von der ISS-Familie enorm viel positives Feedback und Vertrauen.
Wie gelingt es Ihnen in der Krise eine innovative Kultur der Potenzialentfaltung zu leben? Ist das derzeit überhaupt möglich?
Diese Krise hat bei uns, aber auch in der gesamten Branche, sehr schnell zu neuen, innovativen Lösungen bis hin zu einem erweiterten Aufgabenbereich in bestehenden Berufen geführt. So haben wir sehr schnell beispielsweise die Tätigkeiten eines Rezeptionsmitarbeiters mit Vorsorge-Aufgaben wie der Fiebermessung erweitert – und so das neue Berufsbild des Hygiene Stewards entworfen. Unsere Hygiene Stewards begrüßen und unterweisen MitarbeiterInnen und Gäste, führen Temperaturmessungen durch, geben Masken oder Informationsmaterial aus und unterstützen durch ihre Anwesenheit bei der Einhaltung der neuen Hygieneregeln. Auch die Reinigung von neuralgischen Punkten wie Türgriffen, Handläufen oder Druckknöpfen im Lift gehören zum Aufgabengebiet.
Um die weitere Verbreitung von COVID-19 in Österreich zu verhindern, wurden rund 100 Dekontaminationsexperten eigens geschult – bei unseren D-Teams handelt es sich um eine schnelle Einsatztruppe, die 24/7 erreichbar ist. Sie desinfizieren und dekontaminieren Gebäude und Verkehrsmittel nach Verdachtsfällen oder bestätigten Infektionen mit COVID, um sämtliche Bereiche virenfrei zu halten.
Ab davon stellt sich für mich diese Krise eher als zusätzliche Chance dar, um über neue Services in unserer Branche nachzudenken. Ich bin mir ganz sicher, dass wir in den kommenden Jahren durch die Sensorik und Robotik neue Services anbieten werden. Auch die Digitalisierung bietet gute Chancen in unserer Branche den Menschen sinnvoll und effektiv zu unterstützen.
Welche Maßnahmen erwarten Sie von der Politik, um mittelfristig wieder in eine Bewegung aufwärts zu kommen?
Das Kurzarbeitsmodell war für Europa einzigartig und wichtig. Die Erhöhung der Mindestsicherung betrachte ich hingegen sehr skeptisch, denn diese kann zu einer Verringerung der Arbeitsbereitschaft führen. Und das wirkt sich auf unsere Branche nachteilig aus. Auch von staatlicher Beteiligung an Unternehmen halte ich wenig. Politik und Wirtschaft sollten lieber getrennt bleiben, denn meistens sind Interessenskonflikte vorprogrammiert.
Braucht es für Innovation manchmal auch den Mut, Grenzen zu überschreiten, Regeln zu brechen und völlig neue Wege zu gehen? Haben Sie das im Laufe Ihrer Karriere selbst erfahren?
Absolut, vor allem aber braucht es den Mut scheitern zu dürfen – und das auch offen zugeben zu können. Denn neue Wege gehen und aus der eigenen Komfortzone herauszubrechen – etwas, was auch mir nicht immer leicht fällt -, braucht diese Haltung der Offenheit und des Lernens.
Word Rap
Eine Krise ist für mich eine Chance.
In einer Krise braucht es Menschen, die vertrauensvoll sind.
Die drei größten Herausforderungen in dieser anhaltenden Krise sind die Planbarkeit, die Kommunikation und die Langzeitfolgen für die Wirtschaft.
Immer wenn ich vor unplanbaren Situationen stehe, gehe ich laufen.
Um auf neue Gedanken und Ideen zu kommen, ziehe ich mich zurück.
Österreichische Unternehmen wären resilienter, wenn sie offener wären für neue Chancen.
Ein Tipp, um jeden Tag resilienter zu werden: neue Chancen sehen.
Engagement von Mitarbeiterinnen in >> harten Zeiten << gewinnt man durch ehrliche Kommunikation.
Eine Frage, die sich jeder Unternehmer stellen sollte, lautet: Bin ich offen für neue Chancen?