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Was lernen wir wirklich aus der Krise? Interview mit Tom Freudenthal

LADK Mitarbeiterin Anna Böcskör hat mit Tom darüber gesprochen, ob wir wirklich in der Krise dazu bereit sind etwas zu lernen, wo es doch für einen echten Lernerfolg Vertrauen braucht – zumindest, wenn es nach dem Experten geht.

Tom Freudenthal

Tom Freudenthal beschäftigt sich seit mehr als 40 Jahren mit dem Lernen und was es vor allem braucht, damit Lernen gelingen kann. Er selbst hat bereits etliche Trainings und Workshops abgehalten und eine klare Vorstellung davon, wie Lernen funktionieren kann.


Frage: Tom, Du sagst ja, dass es zum Lernen eine vertrauensvolle Basis bzw. ein Umfeld braucht in dem sich der/die Lernende wohlfühlt. Ist das nicht ein Wiederspruch, wenn Menschen behaupten, Sie lernen aus dieser Krise – einer Zeit voll der Verunsicherung?

Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge (lacht). Wenn man sich durch die Krise so stressen lässt und nicht mehr weiß, was soll ich Morgen überhaupt machen, dann ist das sicherlich kein guter Zustand um produktive Ideen zu entwickeln. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man natürlich einen Rahmen schaffen könnte, in dem man tatsächlich mit jemand anderen zusammen die Situation analysiert um dem Problem wieder zu entkommen. Es geht mehr um die Erschaffung eines Rahmens, in dem ich wieder klar denken kann. Wichtig für den Lernprozess ist die vertrauensvolle Umgebung. Das bezieht sich hauptsächlich auf den Lehrer/ die Lehrerin bzw. Mentor/Mentorin. Damit der Vorgang des Lernens wirklich funktioniert braucht es eine Basis des Vertrauens.

Frage: Du hast bereits selbst Krisen miterlebt. Wie ist es Dir in diesen Zeiten persönlich und unternehmerisch ergangen?

Ja eben genauso, wie es nicht sein sollte (lacht), aber wie es oft in den Fällen ist – in Dauerpanik und einem extrem gestressten Grundzustand.  Das hat sich dann auch auf einen schlechten Schlaf bei mir ausgewirkt. In der Nacht verliert man das Schutzschild der kognitiven Analyse und muss sich seinen Ängsten stellen. Das war der Grund, weshalb mein Körper mich nachts aufgeweckt hat um das Problem endlich mal zu lösen. Das hatte allerdings überhaupt nichts mit der aktuellen Krise zu tun, sondern war 2018, also davor.

Frage: Wie konntest du dich aus dieser Situation wieder befreien? Welche Erkenntnisse sind geblieben?

Ich habe mich tatsächlich für ein Wochenende mit einem sehr guten Freund zurückgezogen. Wir haben uns hingesetzt und überlegt, was ich alles mache. Das Ergebnis war, dass ich neun Produkte hatte und mit jedem einzelnen dieser Produkte einen Full-Time Job hätte füllen können. Der logische Menschenverstand sagt uns, dass das nicht funktionieren kann. Nach dieser Analyse haben wir zusammen versucht Lösungsschritte zu entdecken, die auch sehr radikal gewesen sind. Ich habe dann von neun auf zwei Produkte zurückgestuft.

Zwei Dinge sind dabei entstanden: Erstens, dass meistens diese blöde Pareto Regel tatsächlich stimmt. Also ich mache 100% Aktivitäten und 80% davon bringen vielleicht 20% des Umsatzes und 20% bringen davon eigentlich 80%. Für mich war die entscheidende Erkenntnis, dass ich Angst hatte mich zu verändern. Klar hatten sich Veränderungen schon angebahnt, aber trotzdem blieb die Angst was dann daraus entsteht. Ich hatte auch keine klare Vorstellung, was dann passiert und vor allem, ob es auch funktionieren wird. Das Wichtige ist, dass man sich selber klarmacht, das ist so und es gibt keinen Weg Drumherum! Du musst dich mit dieser Angst konfrontieren und sagen: ich bin jetzt mal bereit den Schritt ins Ungewisse zu wagen und radikale Schnitte zu machen, wenn nötig. Ich konzentriere mich darauf, was ich in der Analyse Phase erkannt habe. Das ist der Grund, weshalb ich mich voll und ganz darauf fokussiere, was ich am besten kann, nämlich das über die letzten 40 Jahre erworbene Wissen an andere Leute weiterzugeben, die das gut nutzen können. Seither geht es mir wieder prima.

Frage: Unsere Initiative hat sich dem Ziel verschrieben, die Learnings dieser Krise mit einem 360Grad-Blick auf die Unternehmen festzuhalten. Als Grundlage für zukünftige Krisen, sozusagen. Welche Tipps würdest Du uns geben? Und, was dürfen oder sollen wir nicht vergessen?

Erstens glaube ich, dass es wirklich existentiell wichtig ist bereit zu sein immer wieder Dinge in Frage zu stellen. Man sollte nicht nach dem Prinzip, weil es gestern funktioniert hat wird es heute wieder funktionieren agieren. Wenn Krisen kommen, rechtzeitig in der Lage zu sein, Dinge in Frage zu stellen.

Zweitens was ist unser Kerngeschäft und was können wir am besten? Wo macht es Sinn die 20% der Energie hinzulenken um die 80% Effekt zu erzeugen?

Drittens die Notwendigkeit sich proaktiv langfristig abzusichern. Das bedeutet im Grunde, wie ein Schachspieler auch in die Zukunft zu schauen und sich zu fragen, was könnte denn schiefgehen und welche Alternativen habe ich?    

Was denkst du haben Unternehmen tatsächlich nachhaltig aus der Krise gelernt?

Die Krise hat plötzlich Branchenübergreifend für alle einen Lernprozess losgetreten. Denn jeder musste sich nun damit beschäftigen, wie er/sie seine Inhalte online bringen kann. Jetzt musste man sich mit dem Thema Online Learning beschäftigen und viele haben gemerkt, dass es doch ganz gut funktioniert und man sich dadurch auch viele Kosten ersparen kann. In der gesamten Weiterbildungsszene bin ich mir sicher, dass die Unternehmen lernen mussten, wie digitale Lernprozesse und Homeoffice funktionieren, weil es schlussendlich gar nicht anders ging. Dieses gelernte wird auch bleiben und das ist auch gut so.

Frage: Wie glaubst die hat die Krise die Art wie wir lernen verändert?

Es kommt jetzt eine digitale Komponente hinzu, die es vorher in der Art und Weise noch nicht gab. Zwar gab es online lernen vorher auch schon, jedoch nicht so exzessiv. Allerdings entstehen dadurch neue Irrtümer. Denn nur, weil ich ein Video aufgenommen habe, habe ich noch keinen funktionierenden Online-Kurs. Das ist das zentrale Problem, das ich sehe, denn jeder produziert jetzt digital und die meisten haben keine Ahnung wie es geht. Das Grundproblem ist nach wie vor, dass man erstens nicht zwischen kognitiver Wissensvermittlung auf der einen Seite und der Entwicklung von Skills auf der anderen Seite unterscheidet. Zweitens, dass viele überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, dass nur, weil ich etwas mal sehe oder lese ich noch Garnichts gelernt habe. Der Wahrnehmungsprozess hat zwar stattgefunden, aber nicht der Lernprozess. Lernen heißt, das Verändern von Informationsnetzwerken im Gehirn. Also das aufbauen von neuem Wissen und genau das muss jeder selbst tun. Lernen heißt aber auch den Aufbau von Verhaltensweisen verstehen. Das passiert eben nicht einfach nur durch das Hochladen von ein paar Videos und Texte ins Internet. Die Grundproblematik, dass lernen noch immer falsch verstanden wird ist nach wie vor präsent. Daher ist die Qualität vieler Online Trainings meiner Meinung nach eine Katastrophe. Da braucht es eine Online-Learn-Revolution, damit das ganze besser wird.

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Brigitte Schaden

Brigitte Schaden

Expertin für Projektmanagement

Brigitte Schaden ist Präsidentin von Projekt Management Austria (pma).
Die studierte Versicherungsmathematikerin und Betriebsinformatikerin ist Inhaberin von BSConsulting und als Managementberaterin, Coach und Wirtschaftsmediatorin tätig. Außerdem ist Brigitte Schaden IPMA® Assessorin, Chair von GAPPS (Global Alliance for the Project Professions), IPMA® Honorary Fellow sowie Vortragende auf Konferenzen. Die ehemalige IT-Leiterin, Projektmanagerin und -auftraggeberin sowie PMO-Leiterin war außerdem Vizepräsidentin, Präsidentin und Chair der International Project Management Association (IPMA), Personalleiterin und Organisationsentwicklerin.

Jasmin Köse

Jasmin Köse

Expertin für Logistik

Als Geschäftsführerin etablierte Jasmin Köse erfolgreiche Unternehmen in Transport, Logistik und Lagerhaltung, die unter ihrer Leitung zuletzt einen Jahresumsatz von mehr als 12 Mio. Euro erwirtschafteten.

Ihre Vielseitigkeit führte sie mit Beginn ihrer Karriere erstmals in andere Bereiche. Positionen als Key Account Managerin einer Bank oder Finanzassistentin in einem internationalen Telekommunikationsunternehmen decken einen Teil ihres Werdegangs. Aktuell gestaltet die autodidakte Interior Designerin unter ihrem Label „ILAYA KOS“, Objekte aller Art.

Wolfgang Neymayer

DI Wolfgang Neumayer

Experte für Produktion

Nach dem Studium >> Maschinenbau << und verschiedenste Fortbildungen und Trainings on the Job hat sich Wolfgang Neumayer tiefgreifende Kenntnisse in der Produktionstechnik angeeignet. Durch die Paarung mit jahrelanger Erfahrung als Produktions- und Betriebsleiter von KMUs in der Metallindustrie ist seine Expertise für die praktische Umsetzung von Produktionsoptimierungen entstanden. Seit einigen Jahren stellt er diese Kenntnisse Unternehmen beratend zur Verfügung.